| DGS: Vogelgrippe: Pandemiegefahr noch gering
25-02-2025
Weltweit breiten sich Geflügelpestviren aus, und das nicht nur bei Geflügel. Wo und auf welche Spezies genau und wie hoch aktuell eine massenhafte Übertragung auf Menschen ist, darüber klärt Prof. Dr. Timm Harder, Experte vom FLI für Aviäre Influenza/Geflügelpest, auf.
von Die Fragen stellte Susanne Gnauk.Quelle FLIerschienen am 25.02.2025
Seelöwen in Patagonien. Besorgniserregend sind die zunehmenden Fälle von Vogelgrippe bei Säugetieren auf allen Kontinenten. In Südamerika waren zuletzt große Robbenkolonien massiv betroffen. © Shutterstock
Zur Person
Prof. Dr. Timm Harder
PhD, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Friedrich-Loeffler-Institut, FLI), Leiter des WOAH- (Weltorganisation für Tiergesundheit), des FAO- und Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza (AI)/Geflügelpest
DGS Magazin: Wie schätzen Sie aktuell die Gefährdungslage für die Verbreitung von Vogelgrippe in Geflügelhaltungen in Deutschland, Europa und der Welt ein?Prof. Dr. Timm Harder: Bis zum Jahr 2006 trat die Geflügelpest sehr selten auf. Mit dem ersten Erscheinen von H5N1-Viren aus Südostasien in Europa im Jahr 2006 nahmen Anzahl und Intensität von Ausbrüchen stark zu. Bis 2021 kam die Vogelgrippe/Geflügelpest in Europa überwiegend saisonal in der kalten Jahreszeit vor. Seit Sommer 2021 tritt sie ganzjährig in Deutschland und anderen europäischen Staaten auf. Gerade Geflügelhaltungen mit Kontakt nach draußen, wie Freiland-Legehennenhaltungen oder Putenoffenställe, sind hierbei gefährdet. Vogelgrippe bzw. Klassische Geflügelpest ist eine tödlich verlaufende Erkrankung von Vögeln, unter der besonders Hühner und Puten leiden. Vogelspezies wie Enten und Gänse erleiden seltener schwere Verläufe, können aber dennoch tödlich erkranken. Gleiches gilt für Zoos oder Tierparks, in denen Vögel draußen gehalten werden. Hier gab es jüngst in Deutschland wieder mehr Fälle.Besonders besorgniserregend sind die seit 2020 zunehmenden Fälle von Vogelgrippe bei Säugetieren auf allen Kontinenten. In Südamerika waren zuletzt auch große Robbenkolonien massiv betroffen. Derzeit ist der Erreger dabei, in der Antarktis Fuß zu fassen. Heute gibt es zudem Hinweise, dass das Vogelgrippe-Virus wahrscheinlich viel verbreiteter Säugetiere infiziert als sich aufgrund von einzelnen Totfunden zeigt. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten ist das genaue Beobachten der Vogelgrippe-Vorkommnisse weltweit oberstes Gebot.HPAI hat in den USA bereits schwere Auswirkungen. Nun wurde bei Milchvieh ein neuer Vogelgrippe-Virusstamm entdeckt. Selbst Schweine sind für Aviäre Influenzaviren empfänglich. Wie groß ist die Gefahr des Überspringens auf andere Nutztierarten auch hier in Europa?Das Vogelgrippe-Virus zirkuliert seit fast 30 Jahren bei Geflügel und Wildvögeln, bisher konnte es sich aber nicht anhaltend bei Säugetieren oder Menschen festsetzen. Diese momentane Einschätzung kann sich jedoch ändern, wenn das Virus in noch stärkerem Maße Säugetiere infizieren würde und säugerspezifische Linien, wie jüngst bei Robben in Südamerika, auch in landwirtschaftlichen Nutztieren bilden würde. Auch der Viruseintrag auf breiter Front in die Lebensmittelketten in den USA wäre mit erheblichen Risiken verbunden, wenn der Vogelgrippe-Erreger in der Kuhmilch nicht durch das Pasteurisieren der Milch abgetötet würde. Die Gefahr, die bei einem Einbruch von H5N1 in Schweinebestände auftreten könnte, ist nicht zu unterschätzen. Hier besteht die Möglichkeit der Vermischung (Reassortierung) des H5N1-Genoms mit Schweineinfluenzaviren, die zum Teil bereits Anpassungen an den Menschen aufweisen.Wie hoch schätzt das FLI aktuell die Pandemiegefahr ein?Infektionen des Menschen durch hochpathogene aviäre Influenzaviren (HPAIV) H5N1 sind bisher als einzelne zoonotische Spill-over-Infektionen immer mit intensiven Kontakten zu infizierten Tieren (oder deren Ausscheidungen/Produkten) verknüpft. In keinem der Humanfälle ist es bislang zu einer Weitergabe des Virus an andere Menschen gekommen. Es wurden keine Infektketten oder lokal gehäufte Infektionen (sogenannte „Cluster“) beobachtet. Damit bleibt es bisher bei einzelnen Spill-over-Infektionen. Passend dazu schätzen WHO, CDC (US-Zentrum für Krankheitskontrolle) und ECDC (Europäisches Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten) das Risiko für die Allgemeinbevölkerung durch HPAIV H5N1 nach wie vor als gering ein.
„Menschen mit Kontakt zu infizierten Tieren sind bestmöglich zu schützen.“Prof. Dr. Timm Harder, FLI
Müssen alle Tierhalter – nicht nur Geflügelhalter – ihre Biosicherheitsmaßnahmen verschärfen?Die Einhaltung und Überprüfung der Biosicherheitsmaßnahmen ist das A und O, um eine weitere Verbreitung von Erregern, egal welcher Art, zu verhindern und Infektionsquellen für Menschen bei gehaltenen Tieren so schnell und so gut wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Menschen, die Kontakt zu infizierten Tieren haben, sollten bestmöglich geschützt werden (z. B. mit adäquater Schutzkleidung, der notwendigen Information und eventuell auch antiviraler Medikation oder präventiven Impfungen). Die Möglichkeit des Kontakts zwischen Wildtieren und gehaltenen Tieren (im Falle der Geflügelpest zwischen Wildvögeln und Geflügel) sollte bestmöglich unterbunden werden.
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